Freitag, 8. Februar 2013

Vom Sommer in den Winter

Grosse Party, schlechtes Bier
Grosse Party, schlechtes Bier

In Ho Chi Minh City, dem Wirtschaftsmotor Vietnams, erwartete uns eine grosse Party. Es schien, als hätte der Biergigant Heineken in seinem drittgrössten Absatzmarkt nicht nur zu einer grossen Silvestersause eingeladen, sondern auch zu einer Geburtstagsparty von Corinne. Am teuersten Boulevard der Stadt, wo sich Finanz-Konzerne, Beratungsdienstleister und Hotelketten die Klinke reichen, machten DJ's von Welt bereits bei unserer Ankunft am späten Nachmittag des 29.12. mächtig Dampf an der Party-Meile. In Erwartung der Dinge ging es jedoch an den Abenden trotz lautstarker Musik züchtig zu und her und Bier war am Strassenrand eher schwierig aufzutreiben. Nachdem kurz vor dem Silvester-Countdown am Fluss ein Feuerwerk gezündet wurde, löste sich die Menschenmenge unmittelbar nach 24 Uhr in alle Himmelsrichtungen auf und die Musik war zu Ende. Es schien, dass die Einheimischen vom Party-Imperialismus ein wenig überfordert waren und sich lieber auf ihren eigen Jahres-Kalender - und nicht einem Importierten - besinnen. HCMC (oder Saigon) ebnete uns den Weg für viele Gaumenfreuden, die wir in Vietnam noch erleben werden. Von Banh Mi (Baguette-Sandwich), Pho Bo (Nudelsuppe) über Bun Bo bis zum Vietnamese Barbeque gab es viel zu erkosten. Auch unsere anderen Sinnesorgane waren in der dynamischen Stadt gefordert: Luege, lose, loufe! Insbesondere beim Strassenüberqueren musste man sich diesen im Kindergarten erlernten Satz einprägen. Bezüglich Sightseeing gab es in HCMC und Umgebung mit dem War-Remnants Musem, der Don Khoai Street (Kolonial-Boulevard) und den Chu Chi Tunnels einige Relikte aus der Kriegszeit. Und natürlich war neben dem Schlendern durch die lebendigen Strasse auch viel Shopping, was immer mit hartem Verhandeln verbunden war, angesagt.

HCMC - a Metropolis
Viernamese BBQ: Yummy
City Hall...and Uncle Ho

Im Küstenort Mui Ne erwartete uns eine Russendisko. Restaurants, Reisebüros oder Supermärkte waren jeweils dreisprachig beschriftet: In Vietnamesisch, Englisch und Russisch. Entsprechend viele Russen waren dann zugegen. Dem Optischen entsprechend war es jeweils unschwer auszumachen, welcher Nationalität die Passanten oder Sonnenanbeter (meist als Lobster getarnt) angehörten. In einem zweitägigen Kurs versuchte ich mich im Wind-Mekka mehr schlecht als recht mit Kitesurfen. Aber Spass gemacht hat's. Und eine Fortsetzung folgt bestimmt. Der Besuch der Dünen wurde dann zum Highlight. Inmitten des garstigen Ozeanklimas liegen rund um Mui Ne einige schöne Sanddünen. Ein Jeep führte die bunt zusammengewürfelte Sechser-Gruppe zu den Dünen, wo wir uns dann mit Miriam, Jeanne, Derek und Norlanie im Weitsprung übten und einen spassigen Nachmittag verbrachten.

Sanddünen von Mui Ne

Die Weiterfahrt nach Dalat frühmorgens war nur harzig gesichert, nachdem wir uns am Vorabend beinahe mit dem Reisebüro-Angestellten von TM Brothers geprügelt hatten. Irgendwie hat uns dann ein passierender Bus mitgenommen, obwohl wir noch heute überzeugt sind, dass der Mini-Bus nicht der obengenannten Company angehörte. Die kurvige und staubige Fahrt brachte uns ins Zentrum der Adventure Junkies und zum Ausgangspunkt von Motorbike-Touren. Das Wetter hatte mittlerweile eine Kehrtwende gemacht.

Canyoning - that was a blast!

Kühles und regnerisches Wetter erwartete uns auf 1500 M.ü.M. Wir trotzten dem Wetter und machten bereits tagsdarauf eine Canyoning-Tour, die mächtig Spass machte und nicht ganz ungefährlich war. Neben Klippenspringen und natürlichen Wasserrutschen seilten wir von bis zu 25 Meter hohen Wasserfällen ab, die dann bei Corinne einige Blessuren hinterliessen. Das Hauptaugenmerk unseres Dalat-Aufenthalts galt der Organisation einer Easy-Rider-Tour durch die Central Highlights. Kurz nach der Beendigung des US-Wirtschaftsembargos von 1993 kamen findige Einheimische auf die Idee, dass man den nun immer zahlreicher erscheinenden Touristen die fruchtbaren Landschaften der Central Highlands in Form einer mehrtägigen Motorrad-Tour zeigen kann. Wie in Vietnam üblich, findet ein gut laufendes Business rasch viele Nachahmer, die es mit den versprochenen Leistungen nicht sehr genau nehmen. In Dalat scheint nun jeder ein Easy Rider zu sein. Und selbstverständlich ist jeder das Original! Für uns galt es nun, den Spreu vom Weizen zu trennen. Mit Mr. Hien, einem altgedienten Leutnant der südvietnamesischen Armee, konnten wir uns schlussendlich auf die Route und den Preis einigen. Zusammen mit seinem leicht jüngeren Partner Ba konnten wir den dreitägigen Ausflug in die Highlands in Angriff nehmen.

Pünktlich und mit militärischer Begrüssung erwarteten uns Mr. Hien und Ba. Der dreitägige (off the beaten track) Ausflug in den Highlands brachte uns zu landschaftlichen Sehenswürdigkeiten, Plantagen verschiedenster Art (Kaffee, Cacao, Pfeffer, usw.) und zu einigen strategisch wichtigen Kriegsschauplätzen, wobei insbesondere Mr. Hien mit grossem Wissen glänzen konnte. Mr. Hien weiste unser Tun jeweils im höflichen Imperativ an: "Get off!", "Take Picture!""take care of your helmet!". Die kantige Art war in den ersten Stunden gewöhnungsbedürftig, doch der fürsorgliche Ba schaute zu unserem Wohl und so wurden Corinne und ich nach gewissen Startschwierigkeiten warm mit den Beiden.

Easy Rider Wannabes
Ethnic Minority People
Guests at a Minority Wedding...before the chanting!

Natürlich waren auch Besuche in verschiedene Minority Villages angesagt. Die Einwohner dieser verschieden Stämme machen im 86 Millionen Staat rund 25% der Bevölkerung aus. Zufällig passierten wir am Tag 2 ein Minority Wedding. Da in dieser Gegend Fremdlinge eine Seltenheit sind, insistierte der Braut-Vater, dass wir uns zu den Gästen gesellen. Corinne wurde an einen Frauentisch gesetzt. Ich wurde in eine Männerrunde platziert. Obwohl keiner der rund 500 anwesenden Gästen des Englischen mächtig waren, verständigten wir uns mit Zeichensprache. Wir wurden richtiggehend gefüttert und ans Verdursten musste in dieser kurzen Zeit niemand denken. Nach einiger Zeit forderte uns das Volk auf, zu Ehren des Brautpaars einen Tanz vorzuführen oder ein Lied vorzusingen. Beide Aktivitäten können nicht gerade als unsere Stärken bezeichnet werden. Die Fest-Gesellschaft hat es aber nicht anders gewollt! Nach kurzem Zögern ergriff ich das Mikrofon, bedankte mich in einer kurzen Ansprache herzlich für die Gastfreundschaft (Mr. Hien diente als Übersetzer) und stimmte mit der Band das Volkslied "Schacher Seppeli" an. Nach kurzer Zeit hatte die Band die Chords raus. Das Video hat auf Facebook mittlerweile Kultstatus erreicht und für Hochzeiten aller Art kann man mich und meine Band mieten...Nach einigen ereignissreichen Tagen verabschiedeten wir uns am späten Nachmittag des dritten Tages von unseren zwei vietnamesischen Easy Rider. Von der hässlichen Küstenstadt Nha Trang aus nahmen wir den Nachtbus in Richtung Hoi An.

Hoi An - ein Lichtermeer

Hoi An schmückt sich mit dem UNESCO-Weltkulturerbe. Das ehemalige Handelszentrum kennzeichnet sich mit perfekt erhaltenen chinesischen und japanischen Häusern, die nach Sonnenuntergang jeweils im hellen Lichtermeer von Lampions erleuchten. Hoi An hat sich in den letzten Jahren auch als Zentrum des Schneiderns entwickelt. Heute finden sich über 450 Tailor-Shops vor, die auf Kundenwunsch Anzüge, Hemden, Jacken, usw. innert Tagesfrist anfertigen. Folglich wäre es fast eine Schande, Hoi An mit leeren Händen zu verlassen. Folgende Fragen beschäftigten uns bei der Ankunft: Welcher Tailor liefert die beste Qualität? Welcher Tailor geht am Besten auf die Kundenwünsche ein? Welcher Tailor hat das beste Preis-/Leistungsverhältnis? Man weiss es nicht.

Japanese Bridge by night
A devil's haircut for 3$....Hoi An im Service Check
Diese Spring rolls waren unschlagbar!

Unsere Aufträge wie Jacken, Veston, Hosen, Hemden und Rock, vergaben wir an unterschiedliche Shops mit unterschiedlichen Preisgefügen. Die Ergebnisse waren teils sehr befriedigend und teils unbefriedigend. Mit der Nähqualität und den Kundenwünschen nahmen es einige Shops nicht so genau. Der Tages-Rhytmus in Hoi An wurde vom Massnehmen und (mehrmaligem) Anprobieren bestimmt. Die simple Grundregel: You get what you pay for! wurde uns eindeutig bestätigt. Die verbleibende Zeit verbrachten wir mit Sightseeing und gönnten uns köstliche Zwischenverpflegungen. Das Food Paradise Hoi An verführte uns zu einem weiteren Kochkurs. Der dritte Kochkurs brachte uns zu einer schwangeren Frau, die fester Überzeugung war, dass ständiges Singen beim Kochen den Speisen mehr Geschmack verleiht. Kurz vor Abreise aus Hoi An gaben wir in einer "Poststelle" ein Paket mit all unseren Einkäufen via Seamail auf. Gemäss Zeitplan sollte es uns im April in der Schweiz erreichen.

Tricicle Tour through Hué

In der alten Kaiserstadt Hué wurde uns einmal mehr vor Augen geführt, dass geführte Package-Touren selten unseren Erwartungen entsprechen und das in Anspruch nehmen von einem Tour-Guide in der Regel nicht mehr beinhaltet, als einen organisierten Transport von A nach B. Der Mehrwert des "Tour-Guides" (oder besser Fahrer) besteht lediglich aus dem Herunterlaiern von ein-zwei Standardsätzen zur Sehenswürdigkeit. Da wir dies auch selber nachlesen können, überlegen wir den Beitritt zu einer Package-Tour immer zweimal und unternehmen im Zweifelsfall den Ausflug selbst mit einem gemieteten Motorbike. In Hué wurde uns von einem spitzfindigen Verkäufer für eine City-Tour das Blaue vom Himmel versprochen, was dann selbstredend nicht eintraf. Nachdem wir uns beim Verkäufer beschwerten und insistierten, dass wir dafür nicht den vollen Betrag bezahlen werden, kehrte bei ihm postwendend die Inkarnation vom Charmeur zum zornigen Rumpelzstilzchen ein. Mit unserem Ultimo-Ratio Vorschlag "Take it, or leave it" musste er sich zähneknirschend abfinden. Aufgewertet wurde der Tag mit einem anschliessenden Gang durch die Paläste, wo wir Geld in einen richtigen Guide investierten und vollends zufrieden waren. Zu Abendessen trafen wir uns mit dem Vegetarier-Päärchen Joanne und Eric aus Vancouver, die wir auf der Busfahrt nach Hué kennengelernt hatten. Im günstigen Vegetarier-Restaurant haben wir sogar richtig gut gegessen. Doch ein Hungergefühl blieb und so ass ich mich anschliessend noch durchs halbe Sortiment einer vietnamesischen Bäckerei.

Hué - alte Kaiserstadt

Je nördlicher wir unsere Reise fortsetzen, umso kühler wurde das Klima. Nicht verwunderlich: es herrschte Winter und 10 Grad Tagestemperatur waren für uns gewöhnungsbedürftig. In der Haupstadt Hanoi erlebten wir eine vietnamesische Metropole, die gegensätzlicher vom südlichen Gegenpart Saigon nicht sein könnte. Obwohl Tausende Touristen nach Hanoi strömen und die Stadt heute weltweit Handel betreibt, hat sie seinen typischen vietnamesischen Charakter erhalten und streubt sich erfolgreich gegen zu starke westliche Einflüsse.

Fischer am West Lake in Hanoi
Bun Bo: ds Beschte Nudelgricht wos je hets gits

Die verschachelten Gassen in der Altstadt und das lebhafte Treiben sind faszinierend. Die Gassenküchen sind in der Regel auf ein Gericht fokussiert und dies führt dazu, dies in Perfektion zuzubereiten. Hanoi war für uns Ausgangspunkt für verschiedene mehrtätige Ausflüge. Wir kehrten jeweils immer gerne ins preiswerte Hotel Rendezvous zurück, dessen Personal stets sehr hilfsbereit agierte und unseren Wünschen entgegenkam.

Hmong Frauen

Einer dieser Ausflüge war Sapa. Die von den Kolonialherren errichtete Bergstation war über 1500 M.ü.M. und bei Wetterpech hätten wir sogar noch Schnee in den "Vietnamesischen Alpen" erlebt. Es kam nicht so. Tagsüber wurden wir mit sonnigem Wetter beglückt, das uns traumhafte Aussichten auf die Berglandschaften ermöglichte und uns zu einigen schönen Ausflügen anspornte. Das Wetter kehrte kurz nach Sonnenuntergang schnell in dicken Nebel und frostige Temperaturen. Mit Glühwein oder heisser Schokolade wärmten wir uns in Ski-Hütten ähnlichen Lokalen auf. Man wähnte sich irgendwo in einem Skigebiet in einer Après-Ski Bar. Doch Schnee war keiner vorzufinden. Die farbenfrohen und freundlichen Hmong-People verleihten dem Ort einen speziellen Touch, der nirgendwo in Vietnam zu finden war. Sapa war auch Hochburg für North Face Jacken. Der Outdoor-Gigant wägt seine Produktionen in Vietnam. Da die Vietnamesen als Meister des Schwindelns gelten, lassen sie es sich aber nicht nehmen, mit teils sehr guten Kopien den Markt zu fluten. Auch hier brauchte es Sorgfalt und Zeit, eine gute von einer schlechten Kopie zu unterscheiden. Nach zwei Nächten aber drei langen Tagen sagten wir dem Winter vorläufig auf Wiedersehen und verabschiedeten uns im Nachtzug nach Hanoi, dessen Rückfahrt im Gegensatz zur Hinfahrt einwandfrei verlief.

Sapa noch über dem Nebel
North Face in the mist

Den erneuten Zwischenstopp in Hanoi benötigten wir für die weitere Planung unserer Reise. Einerseits wollten wir noch in die Halong Bay und andererseits mussten wir einen Flug auf die Phillipinnen buchen. Die verbleibende Zeit nutzen wir, um dem Vater von Vietnam, Uncle Ho, im Mausoleum einen Besuch abzustatten. Nach den passierten Sicherheitsvorkehrungen wie am Flughafen wurde uns Einlass gewährt. Von Blödeleien irgendwelcher Art oder respektlosem Benehmen haben wir abgesehen. Dies wäre von den bis auf die Zähne bewaffneten Grabsoldaten sofort als Blasphemie taxiert worden. Nachdem wir via Ethnic Travel noch eine Drei-Tages-Tour in die Halong Bay gebucht hatten, mussten wir uns nach fünf erlebnissreichen Wochen langsam mit dem Gedanken befassen, das Vietnam für uns bald Geschichte sein wird.

Halong Bay: Nur ihr Lächeln war sonnig

Auf der Tour hatten wir dann definitiv kein Wetterglück. Die Bucht war neblig. Trotzdem waren die Kalksteinformationen gut sichtbar, doch das grossräumige Deck auf dem Schiff blieb dann aufgrund des feuchten und kühlen Wetters leer. Das Erwachen auf dem Boot am nächsten Morgen stellte aber ein eindrückliches Erlebnis dar: Mitten im Wasser schwimmend, eingeklemmt zwischen teils 150 Meter hohen Felsformationen brachte das Tageslicht herein. Den weiteren Verlauf der Tour hätte man sich im Nachhinein sparen können, da dieser lediglich aus Reisen auf eine weitentfernte Insel in der Halong Bucht bestand. Die Sicht war mittlerweile so schlecht, dass man kaum noch etwas erkennen konnte. Die Reise durch Vietnam fand dadurch ein eher unrühmliches Ende. Doch Vietnam, das war Abenteur und Top-Erlebnisse pur. Das Land ist unglaublich diversifiziert und die Menschen waren entgegen vielen Vorurteilen stets freundlich.

Good-bye Vietnam: what the hell?...to be continued



 

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